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AutorenbildAlexandra Flury-Schölch

Warum nicht mal anders?


Für eine Zeitungsserie im reformiert. (April 2020) wurde ich gebeten, einen Artikel zu schreiben zum Thema: "Gemeinsam beten im Gottesdienst".

In einem Gottesdienst wird gemeinsam gebetet. Warum gemeinsam, was jede und jeder auch alleine und für sich zu Hause tun kann? Und wie gemeinsam kann gemeinsames Beten sein?

Üblicherweise formuliert in unseren Gottesdiensten eine Person die Worte stellvertretend für alle. Betet sie «wir», empfinde ich mich als Teil einer betenden Gemeinschaft, kann mich aber auch unangenehm vereinnahmt fühlen. Sind die Gebete zu allgemein gehalten, fühle ich mich vielleicht nicht abgeholt, sind sie konkret, kann mich eine einzige Formulierung aus der Gebetshaltung werfen, weil sie nicht auf meine Situation passt oder meinem Gottesbild widerspricht. Betet jemand stellvertretend «ich», ist das Gebet intensiver. Für die Vorbeterin oder den Vorbeter ist es aber eine Kunst, das «Ich» so offen und weit zu gebrauchen, dass sich alle identifizieren können. Nur die Stille gibt Raum für eigene Gedanken.


Trotzdem würde ich auf ein gemeinsames Gebet nicht verzichten wollen. Mehr als beim persönlichen Gebet, empfinde ich tragende Kraft, wenn ich mit anderen Menschen bete.

Anders in der «Together»-Partnergemeinde San Nicolas in Kuba; dort werden im Gottesdienst Fürbitten und Dankesgebete zuerst «gesammelt». Eine Person, die ein Anliegen hat, steht auf und spricht laut aus, wofür sie die Gemeinde bittet zu beten, und die Vorbeterin nimmt diese konkreten Anliegen dann im Gebet auf; oder man kommt selbst nach vorne und teilt allen mit, was diese Woche dankbar stimmt.


Wenn wir mit Together zusammen nach Kuba reisen und in unserer Partnergemeinde in San Nicolas einen Gottesdienst miterleben, sind wir immer berührt, auf diese Weise zu hören, wie es einzelnen Menschen wirklich geht und was sie benötigen. Meist haben wir Zweifeln, dass so viel Offenheit und Vertrauen in einer Schweizer Kirchgemeinde möglich wäre und denken, dass es wohl auch eher nicht gewünscht würde.


Trotz dieser Zweifel und Vorannahme machten die Kubaerfahrenen bei Together im vergangenen Jahr bei einem Gottesdienst in Bellach als «Kennerinnen» einen Anfang mit einem solch offenen Dankgebet.

Und: Die Bellacher Gemeinde stimmte wie selbstverständlich in das Miteinander und Füreinander ein. Ein starkes Gebet, das man nicht vorbereiten konnte, das erst im Gottesdienst seine spontane Kraft entfaltete.


Manchmal lohnt es sich, seine Zweifel über Bord zu werfen und das, was man meint, dass etwas "eben ist wie es ist" beiseite zu lassen - und eine andere Option auszuprobieren.


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